Erben nach dem Gesetz
29. Februar 2012
Über den eigenen Tod denkt man nicht gerne nach. Doch gerade wenn es darum geht, dass das kleine oder größere Vermögen auch über Ihr eigenes Leben hinaus erhalten bleiben soll, müssen Sie sich mit der Frage beschäftigen, was nach Ihrem Ableben zum Beispiel mit dem Miethaus passieren soll. Der Gesetzgeber gibt Ihnen eine ganze Reihe von Möglichkeiten, wie Sie Ihr Testament oder Ihren Erbschaftsvertrag individuell so gestalten, dass auch nach Ihrem Ableben das von Ihnen geschaffene Vermögen in Ihrem Sinne weitergeführt wird.
Unternehmen Sie nichts, fällt das Vermögen auch nicht an den Fiskus (das kommt in nur sehr wenigen Fällen vor). Das Gesetz hat aber genaue Regelungen geschaffen, nach denen dann Ihr Erbe auf Ihre Angehörigen übertragen wird. Ob dies dann aber in Ihrem Sinne ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Darum sollten Sie frühzeitig darüber nachdenken, wie Sie dafür sorgen, dass Ihr letzter Wille wirklich nach Ihrem Tod umgesetzt wird.
Haben Sie keine Vereinbarungen über Ihr Erbe getroffen, z.B. durch ein Testament oder einen Erbvertrag, dann gilt die gesetzliche Erbfolge. Das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 1924 bis 1934) regelt diese Erbfolge aus zwei verschiedenen Blickwinkeln. Auf der einen Seite steht das Erbrecht der Verwandten, auf der anderen Seite das Erbrecht der Ehepartner.
Ist der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes alleinstehend, erben die Verwandten. Hierzu werden die Verwandten in verschiedene Gruppen, sogenannte Ordnungen, eingeteilt. Dabei gilt immer, dass die Verwandten, die der Gruppe mit der niedrigeren Ordnungszahl angehören, Vorrang vor den anderen Verwandten haben. Sind also Erben 1. Ordnung vorhanden, erben die Erben der folgenden Ordnungen nicht. Gibt es keine Erben 1. Ordnung, geht das Erbe an die Verwandten 2. Ordnung und die nachfolgenden Ordnungsgruppen erben nichts usw.
Erben 1. Ordnung
Als Erben 1. Ordnung gelten die „Abkömmlinge“ des Erblassers (§ 1924 BGB). Zu den Abkömmlingen zählen nicht nur die Kinder sondern auch deren Kinder (also die Enkel des Erblassers) und deren Kinder (also die Urenkel des Erblassers). Seit April 1998 sind die nicht ehelichen Abkömmlinge des Erblassers gegenüber den ehelichen gleichberechtigt. Ausnahmeregeln gelten hier nur für außereheliche Abkömmlinge, die vor Juli 1947 geboren sind. Adoptierte minderjährige Kinder haben den gleichen Erbstatus wie die Kinder des Erblassers, sind also auch Erben 1. Ordnung. Die Kinder des Erblassers erben zu gleichen Teilen. Ist eines der Kinder verstorben, treten an dessen Stelle deren Kinder (also die Enkel des Erblassers).
Beispiel: Der Erblasser hat 3 Kinder, von denen eines verstorben ist. Das verstorbene Kind hinterlässt 2 Kinder. In der gesetzlichen Erbfolge erben die beiden lebenden Kinder 2/3 des Erbes. Den Anteil des verstorbenen Kindes erben dessen Kinder (also die Enkel des Erblassers) zu gleichen Teilen. Die beiden Kinder erhalten also je 1/6 des Erbes. Ist ein Kind des Erblassers verstorben, ohne selbst Kinder zu hinterlassen, erhöht sich das Erbe der noch lebenden Kinder, so dass in unserem Beispiel die beiden noch lebenden Kinder je eine Hälfte des Erbes erhalten.
Kinder des Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin, die weder adoptiert noch leibliche Kinder sind, haben keinen Erbanspruch.
Erben 2. Ordnung
Hat der Erblasser keine Erben 1. Ordnung, treten die Erben 2. Ordnung das Erbe an. Hierbei handelt es sich um die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, also die Geschwister des Erblassers und deren Kinder also die Neffen oder Nichten (§ 1925 BGB). Auch hier treten die Geschwister erst in die Erbfolge ein, wenn keine Eltern mehr leben. Die Neffen oder Nichten erben nur dann, wenn keine Eltern des Erblassers mehr leben und der Bruder oder die Schwester des Verstorbenen ebenfalls verstorben sind.
Erben 3. und 4. Ordnung
Stehen keine Erben 1. und 2. Ordnung zur Verfügung, treten die Erben 3. Ordnung in die Erbfolge ein (§ 1926 BGB). Hierbei handelt es sich um die Großeltern des Erblassers beziehungsweise deren Abkömmlinge also die Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins des Erblassers. Sind keine Erben der 1., 2. und 3. Ordnung vorhanden, treten die Erben 4. Ordnung in die Erbfolge ein (§ 1928 BGB). Hierbei handelt es sich um die Urgroßeltern und deren Kinder also die Großonkel oder Großtanten. Die Kinder der Großonkel und Großtanten sind jedoch nicht mehr erbberechtigt.
Erben weiterer Ordnung
Sollten keine Erben der 1. bis 4. Ordnung verfügbar sein, können die entfernteren Voreltern und deren Kinder erben. Die Enkel der Voreltern sind jedoch nicht erbberechtigt.
Partner, die standesamtlich verheiratet sind oder in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft miteinander leben, haben einen zusätzlichen Erbanspruch. Sie erben jedoch in den meisten Fällen nicht alleine. Wie viel der überlebende Partner erbt, hängt auch davon ab, ob Vereinbarungen zwischen den Partnern im Rahmen eines Ehevertrages getroffen wurden. Wurde keine Vereinbarung getroffen, gilt der Güterstand der „Zugewinngemeinschaft“.
Erbanspruch
Sollte der Zugewinn für den überlebenden Partner mehr als 1/4 des Erbes ausmachen, kann der Partner das Erbe ausschlagen. Dann wird der tatsächliche Zugewinnanteil berechnet.
Der Zugewinnausgleich – gleich ob im pauschalierten Verfahren (1/4 des Erbes) oder im genau berechneten Verfahren – ist erbschaftssteuerfrei. Zugewinnausgleich und Pflichtanteil sind immer Ansprüche, die sich auf einen Geldbetrag beziehen. Natürlich können die Erben untereinander vereinbaren, dass statt des Geldbetrages der Anspruch in Form eines entsprechenden Anteils an der Immobilie abgefunden wird.
Ehepaare ohne Kinder sollten auf jeden Fall eine testamentarische Lösung suchen. Denn hier kann es zu echten Problemen kommen. Sind die Eltern ebenfalls verstorben (was meist der Fall sein dürfte), rücken in der gesetzlichen Erbfolge die Geschwister (als Kinder der verstorbenen Eltern) nach. Wird aber durch ein Testament die gesetzliche Erbfolge aufgehoben, haben diese keine Ansprüche mehr – auch nicht auf einen Pflichtteil (der den Eltern noch zugestanden hätte). Sind die Geschwister unbekannt verzogen und gilt die gesetzliche Erbfolge, wird deren Erbanteil bis zur Beendigung der Suche nach den Geschwistern unter eine Pflegschaft gestellt, die eine Verwertung des Erbes (beispielsweise Verkauf der Immobilie) ausschließt.
Sie sehen, dass die Regelung des Erbes eine komplizierte Angelegenheit ist. Sie sollten deshalb in jedem Fall die Problematik mit einem Notar oder Fachanwalt besprechen und dann in Ruhe eine Entscheidung fällen.
Welche Regelungen gelten bei einer Scheidung?
Damit ein Ehepartner erben kann, muss er mit dem Erblasser zum Zeitpunkt des Todes verheiratet sein. Ist er geschieden, sind seine Ansprüche mit der Scheidung erloschen. Läuft zum Zeitpunkt des Todes bereits ein Scheidungsverfahren, hat der überlebende Ehegatte keine Ansprüche mehr, wenn
Dabei muss man sich darüber im Klaren sein, dass der Verlust des Erbanspruchs nur den Ehepartner betrifft. Die Kinder sind weiterhin erbberechtigt.
Lebenspartner
Seit 2001 könne gleichgeschlechtliche Paare eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Sie sind dann im Erbfall einer standesamtlich geschlossenen Ehe gleichgestellt. Leben Paare zusammen ohne eine standesamtliche Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen zu sein, haben sie gegeneinander keine Erbansprüche.
Erbe bei Gütertrennung
Die sogenannte Gütertrennung kommt nur zustande, wenn ein entsprechender Ehevertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile zur Niederschrift eines Notars geschlossen wird (§ 1410 BGB). Bei Gütertrennung erhält der überlebende Ehegatte kein Viertel für den etwaig entstandenen Zugewinn. Das Erbe des überlebenden Ehegatte bestimmt sich dann wie folgt:
Neben dem überlebenden Ehegatten existiert noch | Erbanteil des überlebenden Ehegatten |
---|---|
ein Kind oder Enkel des Erblassers | 1/2 |
zwei Kinder oder Enkel des Erblassers | 1/3 |
drei oder mehr Kinder oder Enkel des Erblassers | 1/4 |
Eltern oder Geschwister des Erblassers | 1/2 |
alle Großeltern des Erblassers | 1/2 |
Ist ein Großelternteil verstorben erbt der Ehegatte zusätzlich dessen Anteil von | +1/8 |
In allen anderen Fällen | 1/1 |
Erbe bei Gütergemeinschaft
Auch die Gütergemeinschaft kann nur durch einen von beiden Seiten geschlossenen notariellen Vertrag wirksam werden. Im Ehevertrag kann vereinbart werden, dass das gesamte Vermögen beider Partner zu einer Einheit verschmilzt. Es können aber auch sogenannte Vorbehaltsgüter von der Gütergemeinschaft ausgeschlossen werden.
Vorbehaltsgüter sind Vermögenswerte,
Darüber hinaus können Vermögenswerte zu Vorbehaltsgut werden, wenn sie ein anderes Vorbehaltsgut ersetzen sollen. Wie viel der überlebende Ehepartner erbt, hängt davon ab, welcher Ordnung die anderen Erben angehören:
Neben dem überlebenden Ehegatten existiert noch | Erbanteil des überlebenden Ehegatten |
---|---|
Erben 1. Ordnung (also Kinder oder Enkel des Erblassers) | 1/4 |
Erben 2. Ordnung (also Eltern oder Geschwister) | 1/2 |
Erben 3. Ordnung (also Großeltern) | 1/2 |
Ist ein Erbe 3. Ordnung verstorben, erhält der überlebende Ehegatte zusätzlich dessen Anteil | + 1/8 |
In allen weiteren Fällen | 1/1 |
Insbesondere wenn keine Testamentsregeln getroffen wurden, entsteht nach dem Tod des Erblassers fast immer eine Erbengemeinschaft, in der die Interessen stark kollidieren können. Stirbt beispielsweise der männliche Ehepartner und erben seine Frau und die beiden Kinder, können die Interessen der Kinder bezüglich der Verwertung des Erbes (beispielsweise einer Immobilie) weit auseinandergehen (Ehepartner will das Haus unbedingt halten, die Kinder wohnen weit entfernt und wollen verkaufen). Doch mit der Erbengemeinschaft entstehen besondere Bedingungen:
Der Nachlass ist gemeinsames Eigentum der Erbengemeinschaft. Bis zur Teilung des Erbes kann deshalb kein Mitglied der Erbengemeinschaft ohne Einverständnis der anderen Mitglieder über das Erbe oder Teile davon verfügen. Es können also nur gemeinsame Handlungen vorgenommen werden. Das einzelne Mitglied der Erbengemeinschaft kann aber seinen Anteil an der Erbengemeinschaft verkaufen. Der Erwerber kann dann aber nicht alleine über seinen Anteil verfügen sondern tritt quasi als Nachfolger des verkaufenden Erben in die Erbengemeinschaft ein. Deshalb werden meist Anteile der Erbengemeinschaft nur von einem Mitglied der Gemeinschaft an einen anderen verkauft. Die anderen Mitglieder der Erbengemeinschaft haben auch ein Vorkaufsrecht, wenn ein Mitglied seinen Anteil veräußern will. Es muss binnen zwei Monate nach Bekanntwerden der Verkaufsabsicht von den anderen Mitgliedern ausgeübt werden.
Bis zur Aufteilung des Erbes – der sogenannten Erbauseinandersetzung – muss das Erbe verwaltet werden. Die Verwaltung kann von einzelnen Erben, einer Mehrheit der Erbengemeinschaft oder von der gesamten Gemeinschaft übernommen werden. Grundsätzlich können aber nur Verwaltungsmaßnahmen getroffen werden, denen alle Mitglieder der Erbengemeinschaft zugestimmt haben. Eine Stimmenmehrheit reicht jedoch aus, wenn die Maßnahme einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht. Hierzu wurde von den Gerichten beispielsweise der Abschluss von Mietverträgen anerkannt. Allein tätig werden kann ein Mitglied der Erbengemeinschaft nur dann, wenn die Maßnahme nicht aufschiebbar ist und der Handelnde keine Möglichkeit hat, die anderen Mitglieder der Erbengemeinschaft zu benachrichtigen. Letztendlich greift diese Möglichkeit also meist nur bei Fällen, in denen Gefahr im Verzug ist.
Die Erbengemeinschaft stellt eine Übergangslösung dar. Sie sollte so bald als möglich durch die sogenannte Erbauseinandersetzung aufgelöst werden. Bei der Erbauseinandersetzung erhält jedes Mitglied der Erbengemeinschaft seinen Anteil am Erbe. Verstirbt ein Mitglied der Erbengemeinschaft noch während Bestehen der Gemeinschaft, treten dessen Erben in die Gemeinschaft ein. Dadurch wird die Gruppe der Erbberechtigten noch größer und es wird immer schwerer, eine vernünftige, für alle akzeptable Lösung zu finden. Schon aus diesem Grunde sollte man so früh wie möglich daran gehen, die Erbengemeinschaft durch Auseinandersetzung aufzulösen. Sind sich die Erben untereinander einig, geht die Auseinandersetzung schnell über die Bühne: Alle Mitglieder der Gemeinschaft treffen sich und vereinbaren die Aufteilung des Erbes. Dabei muss aber geprüft werden, inwiefern die Verträge notariell beurkundet werden müssen. Das dürfte immer der Fall sein, wenn bei der Verteilung Grundstücke im Spiel sind (juristisch gesehen vererbt man keine Immobilien sondern Grundstücke – das schließt aber die Immobilie auf dem Grundstück ein).
Kommt es zu keiner Einigung zwischen den Erben – was leider gar nicht so selten ist – kann man das Nachlassgericht als Vermittler einschalten. Je nach Lage wird dies aber nicht viel bringen. Denn das Gericht kann wirklich nur vermitteln, es hat keine Möglichkeit, die Mitglieder der Erbengemeinschaft zur Zustimmung des Kompromiss-Vorschlages zu zwingen.
Kann keine Einigung herbeigeführt werden, kommt es leider zur „Auseinandersetzungsklage“. Bei der Auseinandersetzungsklage klagt ein Mitglied der Erbengemeinschaft darauf, einem Teilungsplan zuzustimmen. Der Teilungsplan muss mit der Klage dem Gericht vorgelegt werden. Wird ein rechtkräftiges Urteil erstritten, kann bei Rechtskraft die Versteigerung des geerbten Sachvermögens (also auch der Grundstücke / Immobilien) durchgeführt werden. Nach der Versteigerung werden die Versteigerungserlöse mit Geldvermögen aus der Erbschaft zusammengefasst. Davon werden die Verbindlichkeiten des Nachlasses (hierzu gehören beispielsweise auch die Kosten der Versteigerung) abgezogen. Der verbliebende Rest wird nach den im Teilungsplan genannten Quoten auf die Mitglieder der Erbengemeinschaft übertragen.
Sollte sich keine gütliche Einigung finden lassen, kann man Ihnen nur dringend raten, sich als Mitglied der Erbengemeinschaft frühzeitig von einem Fachanwalt beraten zu lassen.
Der Pflichtteil ergibt sich aus dem § 2303 BGB. Danach steht dem Ehegatten des Erblassers, seinen Abkömmlingen (Kindern, Enkeln) und seinen Eltern ein Pflichtteil zu. Wobei der Pflichtteil nur dann fällig wird, wenn auch ein Anspruch nach der gesetzlichen Erbfolge bestehen würde.
Beispiel: Der Sohn des Erblassers hat Anspruch auf ein Pflichtteil. Der Sohn stirbt aber zu Lebzeiten des Erblassers. Im Erbfall würden dann seine Kinder (die Enkel des Erblassers) an seine Stelle rücken. Sie hätten dann auch Anspruch auf ein Pflichtteil. Lebt der Sohn zum Todeszeitpunkt des Erblassers noch, haben weder die Eltern des Erblassers noch die Kinder des Sohnes (also Enkel des Erblassers) einen Anspruch auf ein Pflichtteil. Lediglich der Sohn würde ein Pflichtteil erhalten.
Die Höhe des Pflichtteils ergibt sich aus der gesetzlichen Erbfolge. Er beträgt immer ½ des Erbes nach der gesetzlichen Erbfolge.
Beispiel: Ein Vater hat drei Kinder. Er setzt per Testament das 1. Kind als Alleinerben ein. Daraus ergibt sich folgendes Bild:
1. Kind | 2. Kind | 3. Kind | |
---|---|---|---|
Erbanteil nach der gesetzlichen Erbfolge: | 1/3 | 1/3 | 1/3 |
Erbanteil nachdem der Vater das 1. Kind zu Alleinerben eingesetzt hat: | 2/3 | 1/6 | 1/6 |
Hat der Erblasser beispielsweise durch Schenkungen an das 1. Kind das Vermögen bewusst verkleinert, werden diese Schenkungen bei der Berechnung des Pflichtteils zur Erbmasse gerechnet, wenn sie innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Tod des Erblassers erfolgten.